Thesen zur Integrierten Stadtentwicklung

Das Konzept einer Integrierten Stadtentwicklung beinhaltet eine Perspektive für die nächsten 30 Jahre. Es beinhaltet Ziele der Entwicklung und soll die Fragen, wie wollen wir leben, wie soll sich Herborn in der nächsten Generation entwickeln und wie wird Herborn im Jahr 2051 zur Feier von 800 Jahre Stadtrechte aussehen.

Integriertes Stadtentwicklungskonzept
Ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept beinhaltet eine strategische Ausrichtung der zukünftigen urbanen Entwicklung. Es muss alle widerstreitenden Interessen angemessen berücksichtigen und bildet die Leitplanken für die Diskussionen über Einzelprojekte.

Dabei muss es auch die Einflüsse von außen sowie landes-, bundes- und weltweiten Entwicklungen berücksichtigen. Insbesondere sind Klimaschutz, die Veränderungen der Mobilität und der demografische Wandel wichtige Indikatoren.

Herborn leidet seid vielen Jahren darunter, dass es über kein Integriertes Stadt-entwicklungskonzept verfügt. Seit Stadtbaumeister Iffert und der Sanierung der Altstadt ist kein Konzept für eine in sich schlüssige auf Jahrzehnte angelegte Stadtentwicklung mehr erkennbar.

Immer wieder ist festzustellen, dass Entscheidungen über Einzelprojekte getroffen werden, die Optionen einer möglichen urbanen Entwicklung vereiteln oder behindern.
Politische Entscheidungen lassen die Partizipation der Bevölkerung, Transparenz und eine eingehende Abwägung aller Interessen vermissen.
Man gewinnt den Eindruck, dass Aspekte des Klimaschutzes, der Natur, des Stadtbildes und der Lebensqualität hinter wirtschaftlichen Interessen Einzelner zurückstehen.
Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind der Neubau hinter der Volksbank, die Erweiterungspläne des Kaufhauses und das Parkdeck am Hintersand sowie die Pläne zum Bau von Mehrfamilienhäusern am Weinberg. Aber auch die Bebauung am Pertuisplatz und der Bau des Hauses der Diakonie erfolgten ohne einen eingehenden Abwägungsprozess insbesondere zur urbanen Entwicklung – Stichwort Leben am Fluss – und die klimatischen Auswirkungen der Bebauung auf die Frischluftzufuhr für die Altstadt und das Stadtbild.

Ausgangslage
Herborn ist eine Kleinstadt mit neun Stadtteilen und rund 20.000 Einwohner, davon etwa die Hälfte in der Kernstadt. Mit den Nachbarstädten Dillenburg und Haiger nimmt Herborn die Funktion eins Mittelzentrums wahr. Weitere Zentren sind die Kreisstadt Wetzlar mit rund 50.000 Einwohnen, ca. 30 Kilometer entfernt, und Siegen im Nachbarland Nord-Rhein-Westfallen mit rund 100.000 Einwohnern, ca. 45 Kilometer entfernt.
Herborn ist industriell und von Gewerbebetrieben geprägt und verfügt (noch) über eine ausgewogenen Einzelhandelsstruktur.
Das Stadtbild der Kernstadt ist geprägt von der fast vollständig erhaltenen Altstadt mit seinen historischen Häusern, die seit Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts saniert wurden.
Das Bild der Stadteile ist geprägt von in Teilen erhaltenen Ortskernen. Die Stadteile haben sich ihre Identität weitestgehend bewahrt.
Historisch bestehen Beziehungen zum hessischen Westerwald und der angrenzenden Region im Westerwaldkreis sowie ins Aartal.
Während die Stadteile tendenziell Einwohner verlieren, wächst die Einwohnerschaft der Kernstadt moderat. Die Gesamteinwohnerzahl ist auch durch den Zuzug aus umliegenden Gemeinden stabil.
Zur demografischen Entwicklung verweisen wir auf Demographie-Bericht der Bertelsmann-Stiftung zur Entwicklung der Stadt Herborn (Lahn-Dill-Kreis)
https://www.wegweiser-kommune.de/kommunale-berichte/herborn-ldk

Die Vision Herborn 2051
Zu Beginn der 20er Jahre wurden die Ziele der Stadtentwicklung in einem Integrierten Stadtentwicklungskonzept beschrieben.
Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept wurde unter intensiver Beteiligung der Bevölkerung und aller relevanten Gruppen diskutiert. Der Diskurs wurde leidenschaftlich und fair geführt. Über die Ziele bestand weittestgehend Konsens.
In 2051 feiert Herborn 800 Jahre Stadtrechte. Herborn hat sich positiv entwickelt und gilt als die Perle im Dilltal, in der die Menschen gerne wohnen, einkaufen und arbeiten.

Die hier aufgeführten Ziele sollen als Beitrag zum Diskurs dienen!
Die Punkte sind in alphabethischer Reihenfolge aufgeführt.

• Digitale Infrastruktur
Alle Haushalte verfügen über einen dem Stand der Technik entsprechenden Internetanschluss. Das Herborn-Netz und die Herborn App (Modell: Sag‘s Wien) ermöglichen der Bevölkerung die Information über aktuelle Ereignisse und die Kommunikation mit Politik und Stadtverwaltung.

• Familien
Herborn ist attraktiv für Familien. Es verfügt über attraktive Angebote zur Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr und über differenzierte Schulangebote.
Es gibt attraktive Spielmöglichkeiten und Freizeitangebote für alle Altersgruppen.
Die Stadt und die Stadtteile sind durchzogen von Grünflächen, die zum Spielen und Verweilen einladen.

• Gesundes Leben in der Stadt
Das Leben in Herborn ist geprägt von gesunder Luft und der Rücksichtnahme auf Kranke und Gebrechliche. Die Stadt Herborn ist annährend barrierefrei. Straßen, Wege und Plätze wurden umgestaltet, die Gebäude so gut es geht barrierefrei umgebaut. Durch die Lage im Dilltal zwischen den Höhen von Westerwald und Lahn-Dill-Bergland genießt Herborn den Status eines Luftkurortes

• Klimaneutrale und umweltverträgliche Entwicklung
Die Klimaneutrale und umweltverträgliche Entwicklung berücksichtigt Maßnahmen zur Reduzierung der Wärme in den Kernen von Kernstadt und Stadteilen. Hierzu zählen der Verzicht auf Versiegelung von Flächen, der Erhalt der Bäume durch eine Baumschutzsatzung sowie die Begrünung von Gärten, Freiflächen und Dächern.
Der Tendenz zu pflegeleichten Steingärten ist ggf. mittels Satzung entgegen zu wirken.
Die Bauleitplanung berücksichtigt konsequent die Umweltbelange und die Auswirkungen auf das Klima und verhindert Bauvorhaben, die auf diese Belange keine Rücksicht nehmen.
Bei allen Bauvorhaben werden zwingend Umweltverträglichkeitsstudien durchgeführt, die die Auswirkungen auf das Mikroklima, insbesondere die Frischluftzufuhr und den Luftaustausch untersuchen und bewerten.
Auch die unmittelbare Anwohnerschaft wird bei den Planungen selbstverständlich einbezogen.

• Kultur
In Herborn besteht eine kulturelle Vielfalt durch Aneignung und Gestaltung der eigenen Lebensumwelt und der Gemeinschaft, in der wir leben. Kultur in Herborn ist mehr, als nur die klassischen Spielarten der Hochkultur. „Kultur wird selbst gestaltet“, anstatt Kultur zu konsumieren. Sie ist Grundlage für jeden Lernprozess, für unser Wissen, Denken und unsere praktischen Fähigkeiten und bestimmt die Regeln für die Gemeinschaft. Kultur bestimmt, wie wir die Welt sehen und wofür wir unser Wissen und unsere Fähigkeiten einsetzen wollen.

• Lärmschutz
Lärmschutzwände und Bepflanzungen an der Autobahn mindern Lärm und Emissionen. Bäume säumen die Umgehungsstraße und die Einfall- und Durchgangstraßen in der Stadt und in den Stadteilen.
Die Bahnstrecke ist in allen Ortslagen begrünt, auf der Strecke sind nur Lärm arme Züge zugelassen.
Die Begrünungen dienen zugleich dem Mikroklima und der Frischluftversorgung der Kernzonen.

• Mobilität
Die Entscheidungen berücksichtigen die sich ändernden Anforderungen an Mobilität.
Die Verkehrsführungen in den Kernzonen berücksichtigen vorrangig Fußgänger und Radfahrer. Mittelfristig werden in den Kernzonen nur noch Fahrzeuge mit Elektro oder anderen klimafreundlichen Antrieben zugelassen. Parkmöglichkeiten werden rund um die Kernzonen angeboten.
Der Bahnhof ist modern, ansprechend und mit Aufenthaltsqualität ausgebaut.
In den Richtungen Gießen, Kassel und Frankfurt sowie Siegen, Köln und Dortmund bestehen attraktive umsteigefreie Angebote des Regional- und Fernverkehrs im halbstündigen Takt einschließlich der Randzeiten bis mindestens 22 Uhr. Herborn ist Haltepunkt für die IC Verbindung „Frankfurt- Münster“.
Alle Stadteile sind mit der Kernstadt und untereinander durch ein Netz von Radwegen und öffentlichen Personennahverkehr verbunden.

• Stadtverwaltung und Politik
Es ist geübte Praxis, dass alle Projekte im Vorfeld von Entscheidungen transparent mit den Bürgern diskutiert werden. Die Stadtverwaltung ist freundlich, zugänglich und informiert sachlich und transparent.
Der Umgang Aller ist von wechselseitigem Respekt, Offenheit und Fairness geprägt.

• Tourismus
Tourismus ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. In Kooperation mit den umliegenden Gemeinden wurde das Konzept des nachhaltigen naturnahen Tourismus umgesetzt Anzahl der Besucherinnen und Besucher und deren Verweildauer wurden gesteigert. Herborn bietet ein vielfältiges und attraktives kulinarisches und kulturelles Angebot für Einheimische und Touristen.
Die geschichtliche Bedeutung Herborns unterstreicht das Museum in der ehemaligen Corvin‘schen Druckerei.
Die Stadtmarketing GmbH ist mit ausreichend personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet, um Veranstaltungen zu organisieren, Stadtführungen anzubieten und für die Stadt Herborn und ihre Umgebung zu werben. Auch hier steht das Motto „Leben am und auf dem Fluss“ im Mittelpunkt.

• Urbanität
Ziele der urbanen Entwicklung sind der Erhalt der historischen Kerne in Kernstadt und den Stadtteilen. Dabei ist der Erhalt des Stadtbildes von entscheidender Bedeutung.
Zur Steigerung der Attraktivität und der Lebensqualität setzt die Stadt Herborn auf „Leben am Fluss“. Ziel sind durchgehende für Fußgänger und Radfahrer nutzbare Wege auf beiden Seiten der Dill mit Aufenthaltsqualität zum Verweilen für Jung und Alt.

• Wirtschaftliches Leben
Herborn verfügt über attraktive Standorte für Industrie- und Gewerbebetriebe und eine ausgewogene Einzelhandelsstruktur.
Die Einzelhandelsbetrieb schließen sich zusammengeschlossen und bieten Webshops und die Lieferung der Waren an die Kundschaft gemeinsam an.
Dies reduziert den Lieferverkehr erheblich. Die Herborn Card ist zu einer App mit Bestell- und Bezahlfunktion ausgebaut und erfreut sich großer Beliebtheit.

• Wohnen
Herborn verfügt über ausreichend bezahlbaren Wohnraum für alle Schichten der Bevölkerung. Die Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft ist ein wesentlicher Faktor für die Bereitstellung auch altersgerechter und barrierefreier Wohnungen.
Als Flächen für eine Ergänzung der Wohnbebauung dienen vorrangig Baulücken, An- und Umbauten bestehender Bausubtanz und Brachflächen, wie z.B. im Hinterthal oder dem ehemaligen Toom Baumarkt.
Wohnen ist auch in den Stadteilen durch die Vernetzung der Mobilität attraktiv.
Dies beugt auch der Wanderbewegung in die Kernstadt vor.
Die Stadt unterstützt aktiv und finanziell Sanierungsprojekte für Wohnen in der Altstadt und Stadteilkernen. Sie fördert aktiv die Verwendung freier Grundstücke und leerstehender Wohnungen.

Stand 28.02.2021

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